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Gut fürs Klima: Drei Bio-Riesen für Krefeld

Hier passiert Energiewende vor Ort: Aus Faulgas wird Biomethan, grüne Wertschöpfung aus dem Innovationslehrbuch. In den „Drei Bio-Riesen für Krefeld“.
EGK-Faulgasaufbereitung
„Der Standort der EGK an der Parkstraße bleibt außerordentlich wichtig auf dem Weg zum Ziel der Stadt Krefeld zu mehr Klimaneutralität. Hier produzieren wir bereits seit Jahren Wärme und Strom aus Siedlungsabfall, einem Brennstoff, der zur Hälfte aus Biomasse besteht. Rund 200.000 MWh Wärme und 75.000 MWh Strom aus der thermischen Verwertung der Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage speisen wir jährlich in das lokale Netz ein und können damit 10.000 Haushalte mit Heizenergie und 25.000 Kunden mit Elektrizität versorgen“, fasst SWK-Vorständin Kerstin Abraham zusammen und blickt in die nahe Zukunft: „Wir suchen ständig nach weiteren intelligenten, zukunftsweisenden Lösungen für die Energiewende durch die Verknüpfung der Sektoren Abfallentsorgung und Energieversorgung. Und wir sind nun erneut fündig geworden: diesmal beim Rohstoff Abwasser.“

Sechs Millionen Euro für mehr Klimaschutz

Dazu braucht es innovative Ansätze, mutige Investitionen und starke Partner. Gut sechs Millionen Euro investiert der SWK-Konzern in den Bau der neuen Anlage auf dem Gelände der EGK. Sie bildet die letzte Verfahrensstufe auf dem Weg vom Abwasser – einem ständig nachwachsenden Rohstoff – zu Biomethan, also Biogas. Zur Einspeisung des erzeugten Biomethans in die nördlich der EGK verlaufende Gashochdruckleitung tätigt die Betreiberin des Gasnetzes, die Thyssengas GmbH, Investitionen in gleicher Größenordnung. Schon bis Ende 2021 sollen die Baumaßnahmen abgeschlossen sein. Die Inbetriebnahme der Anlage ist für das erste Quartal 2022 vorgesehen. „Wir werden künftig mit unserer Anlage bei optimaler Auslastung bis zu 8 Millionen Kubikmeter Biomethan pro Jahr aufbereiten können. Dabei soll möglichst die vollständige Faulgasmenge auf Erdgasnetzqualität aufbereitet und in das Gasnetz eingespeist werden“, erklärt Prof. Dr. Hermann Josef Roos, Geschäftsführer der EGK. Die Verwendungsmöglichkeiten seien vielfältig: Die ausgekoppelten Mengen könnten zur Wärmeversorgung in der Industrie oder in Privathaushalten eingesetzt werden. Auch im Verkehrssektor könne das Biogas zum Einsatz kommen. Erdgastankstellen könnten hiermit beliefert werden, so dass Fahrzeuge statt mit fossilem Erdgas künftig mit Biogas betankt werden könnten.

Die perfekte Ergänzung: Aus dem Faulgas wird zusätzlich biogenes Kohlendioxid abgeschieden und auf minus 24 Grad heruntergekühlt. Dadurch verflüssigt es sich, wird in diesem Zustand gespeichert und kann z.B. in Gewächshäusern zur Pflanzendüngung oder in der Industrie als Trockeneis eingesetzt werden. Und noch besser: Es ersetzt fossiles Kohlendioxid.

Kompetenzen im Konzernverbund

Carsten Liedtke, Vorstandssprecher der SWK, betont: „Die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung aus Abfall erzeugte Fernwärme am Standort der EGK hat bereits einen Primärenergiefaktor von 0,0, was beim Gebäude-Energieausweis sowie bei Investitionen von Neubauten und Sanierungen von Vorteil ist. Mit der neuen Faulgasaufbereitungsanlage leisten wir einen weiteren wertvollen Beitrag, um die Klimaziele für Krefeld erreichen zu können. Die gesamte Anlage der EGK an der Parkstraße mit all ihren einzelnen Komponenten ist mit Blick auf den Kernenergie- und Kohleausstieg von hoher Relevanz. Solche dezentralen Anlagen vor Ort leisten einen maßgeblichen Beitrag zum Umweltschutz und zur Versorgungssicherheit bei Strom und Wärme.“ Für die Entwicklung des neuen Faulgas-Verwertungswegs wurden die notwendigen Kompetenzen im SWK Konzern gebündelt. Von der ersten Idee über die Anlagenauslegung bis zum finalen Nutzungskonzept wurde alles in einem internen Projektteam entwickelt. Die EGK ist verantwortlich für Bau und Betrieb der Anlage. Die SWK ENERGIE GmbH ist verantwortlich für die nachhaltige Vermarktung der Produkte Biomethan und biogenes CO2 sowie für die Zertifizierung für den Verkehrs- bzw. für den Wärme- und Stromsektor.

Abraham: „Bundespolitik ist gefordert!“

Die Faulgasaufbereitungsanlage am Standort der EGK in Krefeld zeigt sehr anschaulich, wie die Sektorenkopplung funktionieren kann: Entsorgungssektor, Verkehrssektor und Wärmesektor können hier in einer höchst effizienten Weise miteinander verknüpft werden.

Aber die Energiewende vor Ort funktioniere nur, erklärt Kerstin Abraham, wenn die lokalen Treiber realistische Bedingungen vorfänden. Sie sieht insbesondere die Bundespolitik in der Pflicht, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Klimaziele zu erreichen: „Es fehlen aus unserer Sicht konkrete Maßnahmen der Bundesregierung zur Erreichung der Ziele. Die Ziele sind zwar benannt, aber der „Instrumentenkasten“ zur Umsetzung fehlt, insbesondere die Genehmigungsprozesse müssen deutlich beschleunigt werden. Die regulatorischen Fesseln müssen gelöst werden, damit die Wirtschaft investieren kann - wie etwa beim dringend benötigten Ausbau des Ökostroms durch mehr Windenergieanlagen. Insgesamt benötigen wir in Deutschland einen Ausbauboom bei Erneuerbaren Energien, wie hier am Standort der EGK.“

Die Technik hinter dem Prozess

Das der Kläranlage der EGK zufließende Abwasser wird in einem zweistufigen biologischen Verfahren gereinigt. Der dabei anfallende Klärschlamm wird zunächst eingedickt und anschließend in den drei Faultürmen von Bakterien unter stringentem Ausschluss von Sauerstoff bei konstant 37 Grad „ausgefault“. Dabei bilden sich unter anderem Methangas sowie Kohlendioxid. Derzeit werden diese Faulgase nach einer einfachen Aufbereitung (Trocknung und Entschwefelung) in der Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage genutzt und verwertet. Sie dienen als Energieträger unter anderem bei der Reinigung der Rauchgase, die bei der Verbrennung von Restabfällen in der Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage entstehen. Mit dem Umstieg von der nassen Rauchgasreinigung auf das sogenannte Trockensorptionsverfahren wird das Faulgas für die bisherigen Zwecke nicht mehr benötigt. Es kann stattdessen zu Biomethan aufbereitet und ins Erdgasnetz eingespeist werden.

Die dazu in Krefeld gewählte Biogasaufbereitungstechnik funktioniert nach dem Hybridverfahren. Dieses arbeitet mit rein physikalischen Trennstufen und benötigt somit keine zusätzlichen Chemikalien wie bei einigen anderen Faulgasaufbereitungsverfahren. Im vorliegenden Fall werden das Membran- und kryogene Trennverfahren kombiniert. Mit dieser verfahrenstechnischen Anordnung ist es möglich, die Methankonzentration im Biomethan auf über 96 Prozent anzureichern.