Gas geben beim Energiesparen
SWK-Experte Andreas Benz mit deutlichen Worten über Versäumnisse der Vergangenheit, die Politik, die falsche Abhängigkeit von Russland, unseriöse Energie-Anbieter, Selbstkritik und den Wert von Fernwärme.
Energiemanager mahnt: „Gas geben beim Energiesparen.“
Herr Benz, Europa plant ein Ölembargo gegen Russland, Putin droht täglich und dreht „unfreundlichen“ Staaten den Gashahn ab. Wann wird es kalt in Deutschland?
Öl wird international gehandelt und könnte bei einem Embargo auch von anderen Ländern eingekauft werden. Eine Ölknappheit ist daher nicht zu erwarten. Anders sieht die Lage im Gas aus. Da etwa 50 Prozent unseres Gases aus Russland kommen, ist ein kurzfristiger Ersatz durch Drittlieferungen nicht möglich. Allerdings werden unsere Gasspeicher aktuell mit Hochdruck gefüllt und haben bereits eine Füllstand von etwa 50 Prozent erreicht – 15 Prozent mehr als im letzten Jahr zu diesem Zeitpunkt. Eine Unterbrechung der Gaslieferung aus Russland würde also nicht direkt zu einem Einbruch der Gasversorgung in Deutschland führen.
Öl wird international gehandelt und könnte bei einem Embargo auch von anderen Ländern eingekauft werden. Eine Ölknappheit ist daher nicht zu erwarten. Anders sieht die Lage im Gas aus. Da etwa 50 Prozent unseres Gases aus Russland kommen, ist ein kurzfristiger Ersatz durch Drittlieferungen nicht möglich. Allerdings werden unsere Gasspeicher aktuell mit Hochdruck gefüllt und haben bereits eine Füllstand von etwa 50 Prozent erreicht – 15 Prozent mehr als im letzten Jahr zu diesem Zeitpunkt. Eine Unterbrechung der Gaslieferung aus Russland würde also nicht direkt zu einem Einbruch der Gasversorgung in Deutschland führen.
Was heißt das: nicht direkt?
Damit es auch im nächsten Winter nicht kalt in den deutschen Haushalten wird, müssten wir bereits heute damit beginnen, unseren Gasverbrauch zu drosseln und nicht lebensnotwendige Verbraucher – wie z.B. Schwimmbäder – abzuschalten. Wir müssen Gas geben beim Energiesparen.
Mit dem furchtbaren Krieg steht ein fast vergessenes Thema plötzlich wieder im Fokus: die Versorgungssicherheit. Können Sie die Sorgen in der Bevölkerung nachvollziehen?
Ja. Für uns alle ist es selbstverständlich, dass wir quasi ohne Einschränkungen Energie beziehen können. Selbst in Zeiten des kalten Krieges gab es keinerlei Einschränkung in der Gas- und Öllieferung aus Russland. Durch diese Ausnahmesituation ist dieser Teil der Energielieferung Teil eines militärischen Machtspiels geworden, das wir alle nicht einschätzen können.
Mal selbstkritisch: Hat es sich Politik und Energiewirtschaft zu bequem eingerichtet oder fehlte den Experten einfach die Weitsicht?
Nach Gorbatschow und Glasnost haben wir in Europa – auch auf politischer Ebene – dankbar die günstigen Energielieferungen aus Russland weiter ausgebaut. Da diese Lieferungen auch die Zeit des kalten Krieges ohne Unterbrechung überstanden haben, konnten wir uns nicht vorstellen, dass es bei russischen Energielieferung zu Problemen kommen könnte und haben – das muss man selbstkritisch sagen – die Stabilität der Lieferung nie Frage gestellt. Damit, dass dieser wichtige Faktor für unsere Wirtschaft – die Energiebelieferung – jetzt ggf. jetzt zum politischen Spielball wird, haben wir nicht gerechnet. Das holt uns jetzt ein.
Die Menschen sorgen sich, bei der Abschalthierarchie der Bundesnetzagentur vorne in der Reihe zu stehen, wenn es hart auf hart kommt.
Eine harte Hierarchie, die genau vorschreibt, wann welche Verbrauchergruppe abgeschaltet wird, gibt es nicht. Wegen der unterschiedlichen Netztopologien der Gasnetze in Deutschland wäre das auch nicht zielführend. In einem Handlungsleitfanden hat die Bundesnetzagentur am 17. Mai ausgeführt, dass sie im Fall der so genannten Gasmangellage nach den Kriterien des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung, des Betriebs der kritischen Infrastruktur, der Auswirkung auf die Bruttowertschöpfung und des Tierschutzes abwägen wird. Dabei zählt die Gasversorgung zur Erzeugung von Wärme in Privathaushalten zu den so genannten „geschützten Letztverbrauchern“, die erstmal Vorrang in der Versorgung haben.
Auch ohne den schrecklichen Krieg ist Energie auf dem Weg zum Luxusgut. Seit wann steigen die Preise und warum?
Die Preissteigerungen für Energie begannen bereits im Sommer des letzten Jahres. Nach dem „vermeintlichen“ Ende der Corona Pandemie erwachte Mitte des letzten Jahres die Weltwirtschaft mit deutlichem Energiehunger aus ihrem „Coronaschlaf“. Gerade der asiatische Wirtschaftsraum hatte einen deutlich gesteigerten Energiebedarf, was zur Folge hatte, dass global gehandelte Energie – wie Öl, Kohle und LNG – deutlich stärker in diese Region exportiert wurde und damit auch den Preis bei uns anstiegen lies. Hinzu kam die Diskussion über die Gasleitung Nord Stream 2. Vermutlich, um politischen Druck auf Deutschland auszuüben, reduzierte Russland ihre Gaslieferungen ebenfalls seit dem 3. Quartal 2021 auf vertragliche Mindestmengen. Dieses führte zu Beginn des letzten Winters zu historisch niedrigen Speicherständen in den Gasspeichern. Auch diese – bis dahin nicht gekannte – Knappheit führte zu einem beispiellosem Anstiegt der Energiepreise in der zweiten Jahreshälfte 2021.
Es gab Insolvenzen oder Kündigungen von laufenden Verträgen. Das ist schlecht für das Image der gesamte Branche. Muss die Gesetzgebung nachschärfen?
Eine gesicherte Energielieferung ist zwingend notwendig und hat wirtschaftlich, aber auch sozial einen viel höheren Stellenwert als die Produktion und der Verkauf von z.B. „Luxusgütern“. Dieser hohe Stellenwert der Energielieferung wurde in der Vergangenheit im deutschen Energiemarktdesign zu wenig berücksichtigt. Die aktuelle Situation zeigt deutlich, dass ein allein auf marktwirtschaftliche Prozesse ausgerichtetes Marktdesigne für Energielieferanten deutlich zu kurz greift und erhebliche Risiken für Unternehmen und Privatpersonen hat. Der Ausfall eines Lieferanten, weil er z.B. bei der Beschaffungsstrategie zu stark auf kurzfristige Effekte gesetzt hat, hat erhebliche finanzielle Auswirkung auf dessen Kunden. Hier muss nachgebessert werden und die Versorgungssicherheit auch für Lieferanten mehr in den Fokus genommen werden.
Der SWK sind tausende Kund*Innen über Nacht zugefallen. Müssen die seriösen Versorger die Suppe auslöffeln?
Erstmal ja. Im aktuellem Energiemarktdesign muss der so genannte „Grundversorger“ alle Endkunden, die keinen Energielieferanten haben, mit Strom und Gas versorgen. In den meisten Fällen sind das die lokalen Energieversorgungsunternehmen, hier in Krefeld die SWK. Die Weitergabe der erhöhten Aufwendungen für die Energiebeschaffung für diese zusätzlichen, ungeplanten Kunden trägt erstmal Grundversorger. Zu einem späteren Zeitpunkt haben diese zusätzlichen Kosten aber auch Auswirkung alle Kunden, da die erhöhten Energiebeschaffungskosten mit in die Preiskalkulation einfließen müssen. Somit trägt zum Schluss die Allgemeinheit die Kosten für die „Zockerei“ unseriöser Energieanbieter.
Zurück zum Thema Versorgungssicherheit: Es gibt die große politische Bühne und es gibt die SWK in Krefeld. Was kann und tut die SWK, um Krefeld autarker und resilienter zu machen?
Vollständig energetisch autark wird eine einzelne Stadt wie Krefeld auch zukünftig nicht werden. Das ist unter den Gesichtspunkten der Versorgungssicherheit und der Kosten für die Energieversorgung auch nicht sinnvoll. Aber wir können uns gemeinsam auf den Weg machen die externe Abhängigkeit – gerade von Ländern wie Russland – Stück für Stück zu verringern. Zum einem sollten wir dort, wo es möglich ist Energie einsparen, z.B. durch entsprechend umsichtiges Verhalten oder der zusätzlichen Dämmung von Gebäuden. Zum andere die Energiequellen, die wir selber vor Ort haben - wie z.B. die Fernwärme aus der Müllverbrennungsanlage, noch stärker nutzen. Darüber hinaus werde wir die Stadt mit der Errichtung eines Wärmespeichers ein gutes Stück unabhängiger machen in der Wärmeversorgung. Und die in Kürze in Betrieb gehende Biomethaneinspeisung wird mit „grünem Gas“ aus heimischem Klärschlamm einen weiteren Baustein zur Energieautarkie liefern.
Damit es auch im nächsten Winter nicht kalt in den deutschen Haushalten wird, müssten wir bereits heute damit beginnen, unseren Gasverbrauch zu drosseln und nicht lebensnotwendige Verbraucher – wie z.B. Schwimmbäder – abzuschalten. Wir müssen Gas geben beim Energiesparen.
Mit dem furchtbaren Krieg steht ein fast vergessenes Thema plötzlich wieder im Fokus: die Versorgungssicherheit. Können Sie die Sorgen in der Bevölkerung nachvollziehen?
Ja. Für uns alle ist es selbstverständlich, dass wir quasi ohne Einschränkungen Energie beziehen können. Selbst in Zeiten des kalten Krieges gab es keinerlei Einschränkung in der Gas- und Öllieferung aus Russland. Durch diese Ausnahmesituation ist dieser Teil der Energielieferung Teil eines militärischen Machtspiels geworden, das wir alle nicht einschätzen können.
Mal selbstkritisch: Hat es sich Politik und Energiewirtschaft zu bequem eingerichtet oder fehlte den Experten einfach die Weitsicht?
Nach Gorbatschow und Glasnost haben wir in Europa – auch auf politischer Ebene – dankbar die günstigen Energielieferungen aus Russland weiter ausgebaut. Da diese Lieferungen auch die Zeit des kalten Krieges ohne Unterbrechung überstanden haben, konnten wir uns nicht vorstellen, dass es bei russischen Energielieferung zu Problemen kommen könnte und haben – das muss man selbstkritisch sagen – die Stabilität der Lieferung nie Frage gestellt. Damit, dass dieser wichtige Faktor für unsere Wirtschaft – die Energiebelieferung – jetzt ggf. jetzt zum politischen Spielball wird, haben wir nicht gerechnet. Das holt uns jetzt ein.
Die Menschen sorgen sich, bei der Abschalthierarchie der Bundesnetzagentur vorne in der Reihe zu stehen, wenn es hart auf hart kommt.
Eine harte Hierarchie, die genau vorschreibt, wann welche Verbrauchergruppe abgeschaltet wird, gibt es nicht. Wegen der unterschiedlichen Netztopologien der Gasnetze in Deutschland wäre das auch nicht zielführend. In einem Handlungsleitfanden hat die Bundesnetzagentur am 17. Mai ausgeführt, dass sie im Fall der so genannten Gasmangellage nach den Kriterien des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung, des Betriebs der kritischen Infrastruktur, der Auswirkung auf die Bruttowertschöpfung und des Tierschutzes abwägen wird. Dabei zählt die Gasversorgung zur Erzeugung von Wärme in Privathaushalten zu den so genannten „geschützten Letztverbrauchern“, die erstmal Vorrang in der Versorgung haben.
Auch ohne den schrecklichen Krieg ist Energie auf dem Weg zum Luxusgut. Seit wann steigen die Preise und warum?
Die Preissteigerungen für Energie begannen bereits im Sommer des letzten Jahres. Nach dem „vermeintlichen“ Ende der Corona Pandemie erwachte Mitte des letzten Jahres die Weltwirtschaft mit deutlichem Energiehunger aus ihrem „Coronaschlaf“. Gerade der asiatische Wirtschaftsraum hatte einen deutlich gesteigerten Energiebedarf, was zur Folge hatte, dass global gehandelte Energie – wie Öl, Kohle und LNG – deutlich stärker in diese Region exportiert wurde und damit auch den Preis bei uns anstiegen lies. Hinzu kam die Diskussion über die Gasleitung Nord Stream 2. Vermutlich, um politischen Druck auf Deutschland auszuüben, reduzierte Russland ihre Gaslieferungen ebenfalls seit dem 3. Quartal 2021 auf vertragliche Mindestmengen. Dieses führte zu Beginn des letzten Winters zu historisch niedrigen Speicherständen in den Gasspeichern. Auch diese – bis dahin nicht gekannte – Knappheit führte zu einem beispiellosem Anstiegt der Energiepreise in der zweiten Jahreshälfte 2021.
Es gab Insolvenzen oder Kündigungen von laufenden Verträgen. Das ist schlecht für das Image der gesamte Branche. Muss die Gesetzgebung nachschärfen?
Eine gesicherte Energielieferung ist zwingend notwendig und hat wirtschaftlich, aber auch sozial einen viel höheren Stellenwert als die Produktion und der Verkauf von z.B. „Luxusgütern“. Dieser hohe Stellenwert der Energielieferung wurde in der Vergangenheit im deutschen Energiemarktdesign zu wenig berücksichtigt. Die aktuelle Situation zeigt deutlich, dass ein allein auf marktwirtschaftliche Prozesse ausgerichtetes Marktdesigne für Energielieferanten deutlich zu kurz greift und erhebliche Risiken für Unternehmen und Privatpersonen hat. Der Ausfall eines Lieferanten, weil er z.B. bei der Beschaffungsstrategie zu stark auf kurzfristige Effekte gesetzt hat, hat erhebliche finanzielle Auswirkung auf dessen Kunden. Hier muss nachgebessert werden und die Versorgungssicherheit auch für Lieferanten mehr in den Fokus genommen werden.
Der SWK sind tausende Kund*Innen über Nacht zugefallen. Müssen die seriösen Versorger die Suppe auslöffeln?
Erstmal ja. Im aktuellem Energiemarktdesign muss der so genannte „Grundversorger“ alle Endkunden, die keinen Energielieferanten haben, mit Strom und Gas versorgen. In den meisten Fällen sind das die lokalen Energieversorgungsunternehmen, hier in Krefeld die SWK. Die Weitergabe der erhöhten Aufwendungen für die Energiebeschaffung für diese zusätzlichen, ungeplanten Kunden trägt erstmal Grundversorger. Zu einem späteren Zeitpunkt haben diese zusätzlichen Kosten aber auch Auswirkung alle Kunden, da die erhöhten Energiebeschaffungskosten mit in die Preiskalkulation einfließen müssen. Somit trägt zum Schluss die Allgemeinheit die Kosten für die „Zockerei“ unseriöser Energieanbieter.
Zurück zum Thema Versorgungssicherheit: Es gibt die große politische Bühne und es gibt die SWK in Krefeld. Was kann und tut die SWK, um Krefeld autarker und resilienter zu machen?
Vollständig energetisch autark wird eine einzelne Stadt wie Krefeld auch zukünftig nicht werden. Das ist unter den Gesichtspunkten der Versorgungssicherheit und der Kosten für die Energieversorgung auch nicht sinnvoll. Aber wir können uns gemeinsam auf den Weg machen die externe Abhängigkeit – gerade von Ländern wie Russland – Stück für Stück zu verringern. Zum einem sollten wir dort, wo es möglich ist Energie einsparen, z.B. durch entsprechend umsichtiges Verhalten oder der zusätzlichen Dämmung von Gebäuden. Zum andere die Energiequellen, die wir selber vor Ort haben - wie z.B. die Fernwärme aus der Müllverbrennungsanlage, noch stärker nutzen. Darüber hinaus werde wir die Stadt mit der Errichtung eines Wärmespeichers ein gutes Stück unabhängiger machen in der Wärmeversorgung. Und die in Kürze in Betrieb gehende Biomethaneinspeisung wird mit „grünem Gas“ aus heimischem Klärschlamm einen weiteren Baustein zur Energieautarkie liefern.